Restaurator
Marco Rebel kontrolliert und restauriert die Dreieckbilder von Kapell- und Spreuerbrücke.
Bei den meisten von ihnen hatte er schon seine Finger im Spiel. Die Gemälde in den Giebeln der Kapell- und Spreuerbrücke sind auch Marco Rebels Werke. Warum ihm ausgerechnet Spinnen seinen Job schwermachen.
Er kennt fast jeden Zentimeter der rund 100 Bilder, die in den Giebeln der Spreuer- und Kapellbrücke hängen. Marco Rebel ist ausgebildeter Konservator-Restaurator FH. Die Bildtafeln sind die Werke, um die er sich mit Hingabe kümmert. Auch bei den über 200 Giebelbildern der verschwundenen Hofbrücke hat er beim Restaurieren mitgeholfen. «Die erste Bildtafel durfte ich während meines Praktikums bei einem Luzerner Restaurator bearbeiten», sagt Rebel. «Eine schöne und wichtige Arbeit.» Für jedes Bild hat Rebel einen rund zehnseitigen Bericht erstellt und sämtliche Schäden, Auffälligkeiten, Veränderungen und Gefahren dokumentiert. «Anhand dieses Zustandsberichts entscheidet die Denkmalpflege, ob respektive wann eine Tafel restauriert wird.»
Man spürt, dass da viele, viele Jahre am Bild vorbeigegangen sind. Und doch ist es immer
Marco Rebel, Konservator-Restaurator FH
noch lesbar.
Für Marco Rebel hat jede Bildtafel ihren Reiz. «Ich staune immer wieder, wie trotz Klimaschwankungen, Wind und Regen, Einflüssen von Mensch und Tier diese Bilder in einem guten Zustand sind», so der Restaurator. «Es ist faszinierend, welch unglaubliche Informations-Hardware uns da erhalten ist.» Zwar seien gewisse Farben nicht mehr so leuchtend. «Aber die Inhalte sind immer noch da. Auch wenn die meisten verlernt haben, die Bildsprache zu lesen», so Rebel. «Ich selbst habe auch manchmal Mühe. Es ist aber interessant, wenn man dann in Büchern darüber liest.» Bei den 67 Bildtafeln der Spreuerbrücke sind Reichtum und Stand symbolisch dargestellt, zum Beispiel bezüglich der Kleidung. «Die Informationen sind sehr verflochten. Nichts ist zufällig, alles geplant und gewollt.»
Die Dreieckbilder sind auf Holz gemalt. Holz arbeitet. «Durch Temperaturschwankungen gibt es Bewegung und dadurch auch Schäden auf der Malerei», sagt Rebel. Bevor sich die Malschicht ganz ablöst, steht sie leicht auf. Das ist der Moment, in dem der Restaurator sie mit einem Pinsel und Bindemittel wieder andrückt und fixiert. «Wir sind grundsätzlich sehr zurückhaltend und machen nicht zu viel daran. Lieber immer mal wieder statt einmal und dann das Falsche», so der Restaurator. «Denn manchmal ist zu viel des Guten auch schlecht.» Eine normale Konservierung und Restaurierung dauert mit all den Arbeitsschritten, Farbtrocknung und Absprachen mit der Denkmalpflege schon mal drei bis vier Monate.
Touristen können es kaum fassen, dass hier die Originale hängen. Wenn sie sagen, sowas gäbe es nur in der Schweiz, macht mich das schon etwas stolz.
Marco Rebel, Konservator-Restaurator FH
…sind die Bilder der Luzerner Holzbrücken
Zweimal pro Jahr kontrolliert und reinigt der Restaurator jedes einzelne Bild auf den beiden Brücken. Er protokolliert defekte Stellen und schaut, ob sich Schäden verändert haben. Marco Rebel führt über jedes einzelne Bild ein Protokoll. Kleinere Verunreinigungen entfernt er gleich vor Ort. Das nennt sich «Konservieren». Es beinhaltet alles, was dem Erhalt der Bilder dient. Ist ein Bild mehrfach und stark beschädigt, schlägt er es der Denkmalpflege zur Restaurierung vor. Je nach Erhaltungszustand gibt ihm die Denkmalpflege pro Jahr ein bis drei Bilder in Auftrag.
Elfenbeinschwarz – diese historische Farbe wird aus gebrannten Knochen gemacht und wird heute noch gebraucht.
Marco Rebel, Konservator-Restaurator FH
Der Restaurator verwendet nur alterungsbeständige Farbpigmente. Er retuschiert den heutigen Zustand des Bildes, nicht denjenigen vor 400 Jahren. Früher wurden zum Teil Farben verwendet, die nicht lichtbeständig sind. Diese haben sich im Laufe der Jahre verändert. Würde der Restaurator nun dieselben Farben verwenden, würden sich diese erneut verändern. «Die teuerste Farbe ist Lapislazuli, ein Farbpigment aus dem gleichnamigen Edelstein. Sie ist so wertvoll wie Gold. Darum hat man sie auch mit Gold abgewogen und nur sehr sparsam eingesetzt. Heute verwendet man stattdessen das synthetisch hergestellte Ultramarin.»
Die in den Giebeln von Kapell- und Spreuerbrücke hängenden Dreieckbilder sind Gefahren ausgesetzt. Für Marco Rebel gehören sie aber dennoch auf die Brücken.
Sollen die Originale auf den Brücken oder im Museum ausgestellt werden? Diese Frage hat Marco Rebel schon oft gehört. Auch viele ausländische Gäste reagieren erstaunt, wenn sie erfahren, dass auf der Kapell- und Spreuerbrücke die Originalbilder hängen. «Die Werke sind in einem erstaunlich guten Zustand, wenn man ihr Alter und die Einflüsse, denen sie ausgesetzt sind, bedenkt», sagt Rebel. «Würde man sie aus ihrem Platz rausreissen und in ein Museum hängen, verlieren sie ihre Aufgabe und ihren Effekt.» Die Bilder seien für die Brücken gemacht worden.
Dennoch: Kein Schaden geht spurlos an Rebel vorbei. «Es tut mir manchmal schon weh, wenn eine Taube aufs Neue ein Bild verkotet hat. Ich bin froh, wenn ich den Kot gleich vor Ort entfernen kann, denn die aggressive Kotsäure frisst sich sonst in die Farbe.»
Der Holzwurm ist eigentlich kein Wurm, sondern ein Käfer. Er legt seine Eier ins Holz.
Sie frisst sich durchs Holz und wächst.
Ist die Larve genug gewachsen, verpuppt sie sich knapp unter der Holzoberfläche.
Aus der Puppe entsteht ein Käfer, der ausfliegt. Frische, helle Löcher sind ein Zeichen dafür.
Man vermutet, dass die Käfer zurückkommen, um neue Eier zu legen. Das Spiel beginnt von vorn.
…kontrolliert Marco Rebel auf den Brücken den Zustand der Dreieckbilder
Marco Rebel liebt seinen Job. Nur etwas bringt ihn an seine Grenze: Die vielen Spinnen unter den Giebeln der Brücken. «Ich habe eine Spinnenphobie.» Auf seinen Kontrollgängen muss er die Gemälde unter den Giebeln reinigen und sämtliche Spinnweben entfernen. «Das ist für mich ganz schlimm.» Vor allem im Herbst, wenn sich die Insektenfresser den Sommer über die Bäuche vollgeschlagen haben. «Das sind dann richtige Fetzen. Da läufts mir schon mal kalt den Rücken runter.»
Ein Tag auf der Kapellbrücke, zwei auf der Spreuerbrücke. So lange dauern die Reinigungs- und Konservierungsarbeiten im Durchschnitt. Drei harte Tage für Rebel: «Es ist schon gewöhnungsbedürftig für einen, der Spinnen nicht mag. Obwohl es mich eigentlich auch neugierig macht, wie alt die sind, welchen Lebenszyklus sie haben. Nur eben lieber aus der Distanz.» Um diese zu halten, hat Rebel extra eine Eigenkonstruktion gebaut, um die Spinnweben zu umwickeln. «Früher hatte ich nur so kurze Stäbchen, das war mir zu nah. Die neuen sind länger und dicker. Not macht erfinderisch.» sagt Rebel und lacht. Wer Rebel auf den Brücken antrifft, findet ihn eingepackt in Handschuhe, Schürze und Mütze.